Es geht schon beim Aufwachen los: Der Regen hält mich tatsächlich vom geplanten morgendlichen Bad im Bach ab, das sagt schon viel über dessen Stärke. Dann stehen wir vor der Entscheidung, bei solchem Wetter, wo man noch nicht mal seinen Hund vor die Türe lässt, wirklich zum Milford-Sound zu fahren? Waren wir doch Tags zuvor schonmal bis zum 500m hohen Pass gefahren und nicht gerade begeistert! (Die Beschreibung im Reiseführer, es würde sich um eine der schönsten Straßen der Welt handeln, fanden wir echt übertrieben). Glücklicherweise ziehen wir unseren Plan durch und nehmen doch nochmal Anlauf, schließlich sind wir mit Wecker um 7 Uhr aufgestanden, um vor den Touri-Reisebussen am Milford-Sound zu sein.
Wir stellen die Scheibenwischer an, überqueren den Pass, schalten die Scheibenwischer zwei Stufen höher und sind von den Socken! So etwas haben wir noch nicht gesehen! Riesige steile Berghänge türmen sich auf, übergossen mit Wasserfällen noch und nöcher. Wir wissen gar nicht, wohin zuerst schauen! An den Haltepunkten werden wir pudelnass beim Fotografieren, aber wir kommen nicht ohne Stopp an so einem Wasserfallwunder vorbei. Jetzt wissen wir, der Reiseführer hat doch nicht gelogen.
Die Straße windet sich in zahlreichen Serpentinen bis zum Homertunnel. Dieser 1.200m lange Tunnel wird von 6 – 20 Uhr mit einer Ampelanlage einspurig geregelt.
Dann heißt es, auf die Bremse treten oder besser noch die Motorbremse einsetzen, jede Fotogelegenheit nutzen, auch wenn die Wolken hier tiefer liegen und die Bergspitzen verschlucken.
Übrigens sind die Keas wieder sehr aktiv.
Endlich gelingt ein Schnappschuss, um das rote Gefieder zu zeigen.
Nach wenigen Kilometern gelangen wir ans Ziel, erhaschen einen Parkplatz und buchen ziemlich aufgeregt die nächstmögliche Rundfahrt mit Unterwasserobservatorium-Besichtigung. Die ernsthafte Überlegung, mit dem Kajak durch den 14km langen Fjord zu paddeln, nimmt uns der windgepeitschte Dauerregen aus der Hand. Auch hier regnet es 200 Tage im Jahr mit 6-9m! Woher sollen sonst auch die vielen Wasserfälle kommen?
Uns wird übrigens schnell klar, wir befinden uns nicht nur in einer Wasserfall-, sondern auch in einer Touristenhochburg. Solche Busladungen an Menschen würde ich mir im Konzertleben wünschen, das ist nicht mal mit Händels Wassermusik zu schaffen! Aber irgendwann wird es Konzertsäle mit Wasserfällen geben.
Nach einer Regenstunde Wartezeit werden wir zwischen Menschengruppen aller Nationen und Hautfarben auf ein großes Schiff geschoben, vorbei an einem duftenden Buffet, nicht für uns – das haben wir mit dem Buchen irgendwie nicht verstanden. Wir brauchen das auch nicht, denn wir sehen uns an den herrlichen Felsmassiven, Wasserfällen, Regenwald und Wolken satt. Dieser Fjord ist rauher und erinnert uns stärker an Norwegen.
Ein Trost für den Tourirummel ist das Unterwasser-Observatorium, das nur mit diesem größeren Schiff (und der Schiffsgesellschaft) angefahren wird. In 10m Tiefe kann man durch Fenster die Meereswelt anschauen. Das ist wirklich sehr beeindruckend. Drei Dinge ermöglichen diese einmalige Unterwasserwelt:
- Die Schichtung von süßem tanninhaltigen (braun von Wald, verringert Lichteinfall) Regenwasser der Wasserfälle und salzigem Meerwasser, die sich nicht vermischen (Das nennt man Tiefenwasser Emergenz.),
- eine relativ gleichmäßige und warme Wassertemperatur durch eine von Australien ausgehende Strömung,
- Wenig Wellengang, weil die Segmente der Berge am Fjordeingang zur Tasmansee eine Barriere bilden.
Jedenfalls gibt es dadurch Korallen und Tiere, die sonst in 80m Tiefe vorkommen, in diesen Fjorden bereits in 10m Tiefe.
(Kritischer Nachtrag: Beim Fotovergleich müssen wir feststellen, drei Fisch- und zwei Pflanzenarten (keine Korallen) vor die Linse bekommen zu haben. Und dafür dieser Aufwand? Vielleicht hat sich die Unterwasserwelt vor den halbstündig anlandenden Schiffen lieber etwas zurückgezogen. Aber alles lässt sich immer noch sehr gut für die Touristen verkaufen.)
So hat das viele Wasser doch sein Gutes, ob nun als Regen, Wolken, Schnee oder Wasserfall – und die Touristen kommen trotzdem!
Wie beschließen diesen wunderbaren nassen Ausflug mit einem Dokumentarfilm über die Fjordwelt im Kino in Te Anau. Der Film lohnt sich zu sehen, weil er dank vieler Hubschrauber hauptsächlich Luftaufnahmen enthält – gigantische Ausblicke auf alles, was man von unten und selbst auf Höhenwanderungen nicht sehen kann – und vor allem auf die Wasserwelt!
(YouTube „Ata Whenua“ oder www.Fiordlandcinema.co.nz)
Natürlich übernachten wir an diesem Wassertag in einer Feuchtlandschaft.