19 Gratwanderung im Fjordland: 4 Tage – 4 Landschaften

Kurz zusammengefasst: Der Kepler Track mit drei Hüttenübernachtungen macht seinem Namen eines „Great Walk“ alle Ehre: Es ist richtig abwechslungsreich, richtig schön und richtig anstrengend! Auf eine Streckenlänge von insgesamt 60 km kommen nochmal 1.340 Höhenmeter, das ständige Auf und Ab nicht mitgerechnet. Wir sind diesmal essensmässig mit 7 grünen Tüten echt „Neuseeländisch“ vorbereitet.

Dass es in den Hütten Gaskocher gibt, ist uns nicht bekannt. Kocher und Kartuschen schleppt Mischa also umsonst mit. Macht nichts, wir sind ja in Übung und heilfroh, überhaupt noch Hüttenplätze bekommen zu haben. Das war 5 Tage zuvor ein Riesenglück. Andere buchen ein Dreivierteljahr im Voraus! 

Erstmals benutzen wir unsere Wanderstöcke, so tun einem wenigstens nicht nur die Beine weh, sondern auch die Arme. 

  1. Tag: Parkplatz an der Staumauer Te Anau – Luxmore Hut (14 km, 985 Hm)

Der gleichmäßige Anstieg führt uns durch Regenwald.

Kurz vor dem Ziel erreichen wir die Baumgrenze (bei ca. 1000m) und blicken in „Bergwelt pur“. Die Überschrift im Rother Wanderführer „Bergstrapazen mit atemberaubenden Ausblicken“ trifft wirklich zu. Endlich kommt die ersehnte Hütte, die mit 50 Leuten restlos ausgebucht ist.

Zuerst sichern wir uns ein Doppelstockbett. Ausgebreiteter Schlafsack heißt „belegt“. Dann schließen wir uns der Führung des äußerst erzählfreudigen Rangers an, der über die eigentümliche Pflanzenwelt der hohen Tussockgrassteppen viel berichtet. Es gibt z.B. nur weiße oder gelbe Pflanzen, keine anderen Farben, unzählige Moose. 

Ein Highlight ist eine 500m lange kleine Tropfstein-Höhle, die wir allein besichtigen können, mit Stirnlampe, versteht sich. Dass ist ein echtes Erlebnis, auch wenn wir es wegen unserer Körpergröße nicht ganz bis zum Ende schaffen.

Abends setzt der Ranger seine Erzählung in der warmen Hütte fort. Wir lernen alle ein altes Lied der Māori. Dieses werden wir übrigens an allen drei Hüttenabenden immer wieder gemeinsam singen, einfach schön! Am zweite Abend halte ich das Handy parat! 

Witzig ist der Kea, ein Papagei, der äußerst intelligent ist. Er löst mit einem Stöckchen in der Falle den Schnappmechanismus aus, um sich dann den Köder zu sichern. Er weiß aber auch sehr genau, wo man Futter findet. Man muss echt auf sein Essen aufpassen! 

2. Tag: Luxmore Hut – Iris Burn Hut (15 km)

Heute erreichen wir den höchsten Punkt, den Mt. Luxmore mit 1.400m. Der Kea weiß, dass man auf diesem Abstecher seinen Rucksack mal unbeaufsichtigt lässt. Er holt gleich seinen Kumpel. Wir finden nur noch die Verpackung vom Müsliriegel unserer Mitwanderer. Kann man einem Papagei böse sein?

Die Panoramablicke in alle Richtungen sind einfach traumhaft und nur stückweise von Wolken bedeckt. Wir haben echt Glück mit dem Wetter, aber es ist „saukalt“. An Mützen und Handschuhe haben wir nicht gedacht, die liegen im Auto. Doch auch Strümpfe erweisen sich als brauchbarer Handschuhersatz. Und Regenkleidung ist ein prima Windschutz. Und wie gut, dass Mischa doch seinen Kocher dabei hat! Also wird zwischendurch ein heisser Tee gekocht! 

Wir verlassen die Hochebene, gelangen in einen flechtenüberzogenen Buchenwald und erreichen über einen Serpentinenabstieg ziemlich erschöpft die zweite Hütte, die auf einer hübschen Lichtung am Fluss „Iris Burn“ liegt.

Super, da können wir uns im Fluss waschen. Wie neugeboren nehmen wir unsere Bücher und kochen wieder dieses „grüne Tüten Essen“, das uns eigentlich überhaupt nicht schmeckt. Wir sehnen uns nach unserer Tütennudelsuppe! 

Nach Einbruch der Dunkelheit greifen wir die Empfehlung des Rangers auf, zum 20Minuten entfernt liegenden Wasserfall zu gehen. Dort gäbe es Glühwürmchen und auch Kiwis seien zu finden. Er macht uns den Kiwiruf vor. Kiwis sind nachtaktive, flugunfähige relativ große Vögel. Wir machen uns also bestens informiert mit Stirnlampen in der Dunkelheit auf einem unbekannten Weg los. Mir rutscht das Herz in die Hose. Aber Nachtwanderungen sollen ja so romantisch sein. Wir haben Zusatzbeleuchtung vom Sichelmond. Mischa zeichnet den Weg sicherheitshalber auf dem Handy mit. Wir marschieren also durch den nachtschwarzen Regenwald, erreichen den Wasserfall. Mir schlottern die Knie. Kein Glühwürmchen zu sehen. Also schlägt Mischa vor, 15 Minuten zu warten, damit es noch dunkler werde. Ja gern. Nach 20 Glühwürmchenlosen Minuten befürchte ich eine ähnliche Situation wie bei Computerproblemen: Es muss doch eine Lösung geben! Bevor Mischa sich dem tosenden Wasserfall zwecks Problemlösung weiter nähert, dränge ich zur Umkehr. Auf halbem Weg begegnet uns der freundliche Ranger und bringt uns zum Glühwürmchen-Zauberbaum. In einer ausgehöhlten Wurzel strahlt es wie am Sternenhimmel.

Drei glückliche Menschen: Ranger hat Touris eine Freude gemacht, Mischa sieht die Glühwürmchen und ich bin heilfroh, dass wir uns nicht im dunklen Regenwald am anderen Ende der Welt verirrt haben. Der Heimweg wird noch durch Glühwürmchen- Farne verzaubert. Ein Trost dafür, dass wir Kiwis zwar gehört, aber nicht gesehen haben.

3. Tag: Iris Burn Hut – Moturau Hut (16km)

Heute gehts hauptsächlich abwärts durch Regenwald, vorbei an einer Lichtung, die 1984 durch einen Erdrutsch entstanden ist. Wir bleiben lange am Fluss, dann gehts durch Farnwald bis zum Manapourisee, wo dann auch traumhaft die nächste Hütte liegt. Nur gut, dass wir an unsere Badesachen gedacht haben.

Nach der Matrazenlagersicherung gehts also gleich an den See. Im Wasser halten wir es ca. 20 Sekunden aus und am Strand brauchen wir trotz Sonne unsere Fliessjacken. So fühlt sich also ein Neuseeländischer Strandtag im frühlingshaften November kurz vor Weihnachten an. Wie gut tut da das Lagerfeuer am Abend! 

4. Tag: Hut – Staumauer (Ausgangspunkt) (15km)

Der letzte Abschnitt führt durch Moorlandschaft und wieder Regenwald. Es geht stetig bergauf und bergab. Ich bin ziemlich fertig und feuere meine Wanderstöcke an, etwas mehr Gas zu geben. Mischa hält sich vorsichtig hinter mir, damit ich nicht ganz den Mut verliere, wenn er vorneweg stiefelt. Die Landschaft ist traumhaft , der Waldboden wanderweich. Da gibts wirklich nichts auszusetzen.

Dennoch bin ich echt froh, am Ziel zu sein. Wir gehen nochmal baden, auf dass die Lebensgeister wiederkommen. Tun sie dann so halb. 

Die anderen Hälfte kommt, nachdem wir endlich nach einigem Hin und Her auch einen schönen Stellplatz finden. Dafür geben wir den Stromanschluss gern wieder ab! Zur Erklärung: Auf dem wunderschönen weiträumigen Campingplatz gibt es 6 Plätze mit Stromanschluss im 2-Meter-Abstand. 

Wir verlassen diese Ölsardinenbüchse, um Fjord- und Feldblick nun 100m entfernt allein stehend zu genießen – aber dafür ohne Strom. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert