25 Rucksackpacken in Christchurch 

Irgendwann geht auch der schönste Urlaub zu Ende und so heißt es für uns nun Auto abgabefertig machen. Das bedeutet, auf der 130km langen Rückreise nach Christchurch Müll loswerden, alles entleeren, Wasser auftanken, Gasflasche neu befüllen (wir haben erstaunlicherweise mit einer kleinen Gasflasche gereicht) und natürlich die Luft aus dem Benzintank lassen. Es gibt in Neuseeland nicht nur viele saubere Toiletten, sondern auch zahlreiche Wohnmobil-Dumpingstations, so dass alles kein Problem ist. Ehrlich gesagt sind wir sehr erleichtert, nach 3.600km ohne Schrammen, Beulen oder größere Schäden auf den Hof der Verleiher-Firma „Wendekreisen“ in der relativ großen Stadt einzurollen. Das Übergabeprocedere ist unkompliziert erledigt und ein Taxi bringt uns in ein sehr hübsches kleines Motel zentral in der Innenstadt gelegen, was wir für zwei Nächte gebucht haben.Schockiert betreten wir die wunderschönen großen Räumlichkeiten.

An dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs zum Thema „Quadratmeter pro Person“ erlaubt: Neben einem geräumigen Zimmer gibt es im Motel ein Bad mit Klo, Dusche und Waschbecken sowie eine kleine Küche und Balkon (ohne Sandflys). Wir fassen es nicht, in so einem Tanzsaal unseren Urlaub zu beenden. Nach 6 Wochen im Wohnmobil können wir uns parallel in einem Raum bewegen und dabei sogar die Arme ausbreiten! Unser „Wohnmobil“ war ein 6m langer chinesischer (!) ausgebauter Lieferwagen. Ziehen wir die Fahrkabine ab, haben wir ca. 4,5m x 2m. Davon müssen wir nochmal den Bade- und Kochblock abziehen und die als Bett umbaubare Sitzecke. Es verbleibt ein Einbahnweg von 1,50m x 0,50m. Dass hier nur mit Absprache unfallfreie Bewegungen möglich sind, liegt auf der Hand. (Die Neuseeländer handhaben es ja mit ihren in der Regel nur einspurig befahrbaren Brücken genauso.) Als 39 Jahre verheiratetes Ehepaar bewältigen wir diese Herausforderung ohne Probleme. Das fehlende Waschbecken im Bad erfordert gegenüber unserem sehr geräumigen Hymer-Wohnmobil „Hugo“ einige logistische Raffinessen. Alles in Allem meistern wir die Probleme, ohne dass einer im Regen oder einer Sandflywolke draußen ausharren muss, damit der andere sich unterdessen rasieren oder die Zähne putzen kann. (Unsere Freunde mit Wohnmobilerfahrung wissen, wovon wir sprechen.) Wir befürchten nun, uns nach der Heimkehr in unserer Wohnung etwas zu verlieren…

Aber kommen wir zurück zur Sache: In Christchurch waren zwei Erdbeben: Das erste am 4. September 2010 mit einer Stärke von 7,1, wobei das Epizentrum 40km von Christchurch entfernt war. Die Zerstörung war gering. Beim zweiten Erdbeben am 22. Februar 2011 mit einer Stärke von 6,3 lag das Epizentrum nur 6,7km südöstlich der City. 185  Menschen starben und die Zerstörung war enorm. 

So fallen die vielen Baustellen in der Stadt auf, die Kathedrale soll 2029 wiederaufgebaut sein, viele andere Sehenswürdigkeiten sind noch nicht zugänglich. Auf der Stadtrundfahrt mit der historischen Straßenbahn erklärt der Fahrer die Ursache der zahlreichen geschotterten Autoparkplätze. Da haben Gebäude gestanden.

Dennoch gibt es viele schöne Dinge zu bestaunen: Den botanischen Garten mit Baumriesen und einem gepflegten Rosengarten.

Beeindruckend ist auch die vor 20 Jahren errichtete Art Gallery, die alles unbeschadet überstanden hat. Einige Exponate gefallen uns.

Das Art Centre ist ein Komplex historischer Backsteingebäude, bis 1974 Universität, wird heute vielfältig für Kunstzwecke genutzt. Es musste für 200 Millionen neuseeländische Doller (ca. 100 Mill. €) wiederaufgebaut werden. Glücklicherweise hat man 2009 die Versicherungspolicen überarbeitet. Sonst hätte die Rekonstruktion 2023 nicht so erfolgreich beendet werden können.

Hier frischen wir unsere Kenntnisse über den neuseeländischen Nobelpreisträger, Vater der Nuklearphysik, Entdecker der Atomteilchenenergie und -strahlung, Ernest Rutherford (1871-1937) etwas auf und setzen uns in seinen Vorlesungssaal. 

Wir verabschieden uns etwas untreu von Neuseeland mit der mexikanische Küche und ich erweitere meine Kenntnisse auch in Cocktails. 

Der Rückflug ist nochmal ein mathematisches Rätsel. Wie kann es sein, dass wir am Samstag, 2. Dezember um 12 Uhr in Christchurch abfliegen und nach 24 Stunden reiner Flugzeit und einem 6stündigen Aufenthalt in Singapur am Sonntag, 3. Dezember um 6:20 Uhr in Frankfurt a.M. landen?

Wann wir dann aber in Essen sein werden, kann bei Schneefall, Frost und den so gern streikenden Lokführern der Bahn einfach niemand wissen. 

10 Ankunft an der Westküste

Heute stehen uns ca. 280 Autokilometer bevor, es ist also ein Fahrtag. Ich traue mich noch nicht richtig ran an den Linksverkehr und unsere Gangschaltung. Also übernimmt Mischa die Strecke allein. Es geht durch Schafwiesentäler vorbei an ginsterblühenden Höhen und dann in die Buller George Schlucht, die zwar beeindruckend ist, aber mit Abstand nicht an die Ardecheschlucht heranreicht. Für die Māori hieß der Fluss Kawatiri „tief und reißend“. Nur wenige Menschen wagten sich dorthin, bis das Gold lockte. Wir nehmen die längste Hängebrücke Neuseelands mit und wanken 110m über den reißenden Strom.


Dann schauen wir uns die White-Creek-Verwerfung an, die bewachsen ist und ihren Schrecken aus dem Jahr 1929 verloren hat. Hier war das Epizentrum des damaligen Erdbebens. Die Erde brach mehrere Meter ab, 17 Menschen kamen ums Leben. (Das Erdbeben von Christchurch 2011 das als niedrigstes auf der Richterskala aufgezeichnet wurde, forderte 185 Menschenleben natürlich auch wegen der größeren Bevölkerungsdichte.)

Den ganzen anderen Touristenrummel lassen wir aus, die Schlucht bietet Wildwasser-Abenteuer wie Rafting, Jetboot-fahren und am Seil über den Fluss sausen und natürlich gibts ein Kassenhäuschen für alles. 

Wir erreichen unseren Zielort Karamea am Nachmittag. Hier endet auch die Strasse SH67. Wir sind also fast am Ende vom anderen Ende der Welt. Im Visitorcentre werden wir bestens beraten und buchen das Highlight für den nächsten Tag – eine Höhlenbesichtigung.

Zum Abendessen probieren wir eine Saisonspezialität: whitebaits. Das sind winzige Fische, die von Mitte September bis Mitte Oktober gefangen und literweise verkauft werden. Man bereitet sie wie Eierkuchen zu, schmeckt nicht schlecht, kann aber dem Vergleich mit richtigem frischen Fisch nicht standhalten. 

09 Zwischenstation 2: Auf dem Weg zur Westküste 

Mit einem herrlichen Sonnenfrühstück beginnt der Tag: Heißer Kaffee und Tee, Röstbrot, Ei … da gibt es nur noch eine Steigerung: frisch gepflückte Mandarinen vom Baum gleich neben dem Tisch! So gestärkt nehmen wir unser nächstes Reiseziel, die Westküste, in Angriff.

Um nach Karamera zu gelangen, muss man einen südlichen Umweg um die Tasman Mountains fahren. Wir teilen diese ca. 400km lange Tour und fahren heute nur 120 km durch eine wunderschöne Bilderbuchlandschaft mit vielen Schafen, blühenden Obstbäumen, riesigen gelben Ginsterbüschen und immer Bergpanorama. Am Straßenrand kaufen wir alles auf, was es gibt: erst grünen Spargel (hier ist Frühling!), danach Cider und Zitrone (vielen Zitronenbäume!), dann frische Kartoffeln und beim vierten Stopp knackige leckere Äpfel. Nun haben wir unser Abendessen zusammen.

Spargelkauf

Vorab machen wir noch einen Abstecher von der SH 6 in den Nelson Lakes Nationalpark. Um nicht aus der Übung zu kommen, gehts hoch auf den „Mount Robert“ (1421m). Vom Parkplatz aus bedeutet das „nur“ noch 540m. Um nicht den Mut zu verlieren, zähle ich die Schritte: Nach 4200 sind wir oben. Es eröffnet sich eine grandiose Aussicht auf den im bewaldeten Becken liegenden See Rotoiti. Dazu schauen wir in allen Himmelsrichtungen auf endlose Berg-Gipfelketten. Die im Rother Wanderführer angepriesene Panoramawanderung hält wirklich, was sie verspricht!

Woanders sehen wir es regnen und laufen im herrlichen Sonnenschein! Zwei Lehren: Man darf sich hier nicht vom Wetterbericht entmutigen lassen und man muss immer Zwiebelkleidung dabei haben, denn der Wind ist trotz Sonne eisig kalt.

So machen wir es uns am Abend im Auto mit der Heizung kuschelig warm. Da entpuppt sich unser „Apple cider“ als Essig. Wir haben das letzte Wort „vinegar“ übersehen! Oje, dann gibts eben Tee!

07 Zwischenstation 1: Am rauschenden Bach

Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, dem Abel Tasman Coast Track, brauchen wir natürlich unser repariertes Auto. Der Superkoch der Lodge bestellt uns das Wassertaxi und bringt sogar unser Gepäck zum Steg. Im Expresstempo rauschen wir nach Picton.

Hier klappt der Autotausch tatsächlich problemlos auf dem Parkplatz. Da hat sich die Werkstatt nicht lumpen lassen.

Was wir weiterhin brauchen, sind Hüttenbuchungen. Und das erweist sich für die nette Dame im Visitor Centre in Picton als echte Herausforderung, der sie ihre Mittagspause opfert. Wetter, freie Hüttenplätze, Gezeiten und ein Wassertaxi für die Rückfahrt müssen übereinander gebracht werden. Noch dazu wird gerade der Computer auf „Sommer“ umgestellt. Nach zwei Stunden verlassen wir mit allen Buchungen und einer Flasche „Sandfly-Spray“ erleichtert, aber auch sehr hungrig das Visitor Centre. 

Unser Auto wird auf dem sehr windungsreichen 36km langen Queen Charlotte-Drive geprüft! Es bewältigt die vielen Steigungen und Kurven dieser wunderschönen Küstenstraße hervorragend. Möge es gesund bleiben! Dass das linke Vorderlicht nicht brennt, nun ja, mit kleinen Weh-Wehchen kann man leben. Wir finden auf der Strecke in Havelook das empfohlene Muschelrestaurant. Echt gemütlich und lecker! Da Muscheln in den Marlborough-Sounds gezüchtet werden, ist das eine lokale Spezialität mit vielfältigsten Zubereitungsvarianten. Wir probieren gebratene und frittierte Muscheln. 

Zufällig entdecken wir einen wunderschönen Campingplatz „Pelorus Bridge – Scenic Reserve“. Wir stehen direkt am steinigen Flussufer, das uns an die Ardeche erinnert, und können uns in dem rauschenden kristallklaren Wasser erfrischen. Da müssen wir einen Tag bleiben! Wir genießen auf der kleinen 8km langen Wanderung kleine Wasserfälle unter riesigen alten Bäumen. Noch wissen wir nicht, ob das weit verbreitete und markant riechende schwarze Baum-Moos von einem Brand herrührt oder von Pilzen. 

Bei Sonnenschein und Wasserrauschen nehmen wir nun unsere Gedanken zusammen, um die Rucksäcke für unsere fünftägige Hüttenwanderung zu packen. Wir müssen uns selbst verpflegen mit Kocher und Töpfen und allem Drum und Dran. Wasserfilter, Stirnlampen, Regensachen, Schlafsäcke, Zwiebelkleidung, jedes Teil wird genau überlegt. Reicht eine Gaskatusche? Alles wird nochmal überschlafen, Unwichtiges am Morgen wieder ausgepackt. Und dann geht es endlich los! 

05 Wie unsere Tischdecke ins Motel kommt

Frohgemut steuern wir unser nächstes Reiseziel Picton an. Die Küstenstraße zwischen Bergen und Pazifik schlängelt sich traumhaft über immer höher werdende Bergkuppen, als plötzlich der Motor aufheult und das Auto stetig langsamer fährt. Mit Mühe und Not erreichen wir die Bergkuppe, erleichtertes Abrollen, doch der nächste Berg ist in Sicht. Jetzt kommt nicht nur der Motor ins Schwitzen sondern auch wir. Es beginnt zu stinken. Die erste kleine Bucht auf halber Höhe rettet uns. Wir rufen unseren Verleiher „Wendekreisen“ an. Er tut seinem Namen keine Ehre. Weder kreiselt er, noch wendet er unser Problem. Wir sollen doch weiterfahren, oder uns rückwärts den Berg wieder runter rollen lassen. Man könne das Auto doch auch an eine sichere Stelle schieben. Zum Glück ist eine Verständigung auf Deutsch möglich. Ein anderes Wohnmobil gäbe es nicht und man könne nicht sagen, ob ein Ersatz-PKW noch heute eintreffen würde. Wir könnten doch an dem State Highway übernachten? Unsere Reaktionen werden immer ärgerlicher und erreichen einen ersten Höhepunkt als die Anmerkung kommt, ob wir wohl die Kupplung richtig bedient hätten? Nach einigen Telefonaten wird uns ein Ersatz-PKW für diesen Abend zugesagt – Ankunft ungewiss. Zwischenzeitlich nehmen wir nach 30 Minuten Abkühlung von Motor und Nerven nochmal allen Mut zum Durchstarten zusammen und schleichen erfolgreich auf die Bergkuppe. Von da lassen wir uns ins nächste Dorf rollen und biegen auf eine Nebenstrasse ab. Ulrike marschiert hoffnungsvoll durch verwaiste Dorfstraßen (es stürmt zudem immer stärker) ohne eine Übernachtung zu finden. Immerhin kühlt währenddessen der Motor ab. Inzwischen meldet sich ein vom Vermieter kontaktiertes Autounternehmen. Sie wissen nicht, wann der Ersatz-PKW ankommt, es kann 23 Uhr werden. Wir sollen alles packen, denn der Camper Van wird dann im Austausch abgeschleppt und zurück nach Christchurch gebracht. Nur hier sei eine schnelle Reparatur möglich. Uns beschäftigt immer stärker die Frage, wo wir übernachten sollen, wird doch unser Bett im nächtlichen Austausch mitgenommen. Mischa erkundigt sich bei Anwohnern, ob bis zum 22 km entfernten Blenheim (mit zahlreichen Motels) noch Berge seien. Nein, es ginge nur noch downhill (bergab). Also versuchen wir unser Glück! Wer wagt, der gewinnt! Zunächst müssen wir ca. 10 m hoch bis zum Highway schaffen. Ja, geschafft! Dann im vierten Gang von Kurve zu Kurve. Was ist dahinter? Nochmal eine Steigung! Auch die schaffen wir gerade so. Danach geht es wirklich nur noch bergab. Noch 18 km, nächste Kurve: Ebene des Weinanbaugebietes in Sicht, 15 km, gleichmäßiges Zuckeln, hupende Autos überholen uns, noch 10 km, Adrenalin geht runter,  5 km, wir erreichen Blenheim!  Glücklicherweise keine Ampeln, nur Kreisverkehre, 3. Gang, wir rollen in den Hof eines Motels, das uns im Internet noch ein freies Zimmer angezeigt hat. Ja, wir können übernachten! 

Wir räumen den Camper Van vollständig aus. Dann schlendern wir in den Ort und finden eine nette Bar, wo wir auf unser Glück im Unglück anstoßen. 

Um 24 Uhr übergibt uns eine Fahrerin einen Ersatz- PKW. Sie ist fix und fertig, musste im Sturm anhalten und fällt im gegenüberliegenden Bungalow wie wir ins Bett. 

Als wir am nächsten Morgen um 7.30 Uhr aufstehen, ist unser Camper Van verschwunden, die Frau auch. Wir wissen nicht, ob er abgeschleppt wurde, oder ob die Fahrerin glaubte, ihn bis Christchurch zu bekommen. Das werden wir alle später erfahren. 

Ach ja: Unsere Kult-Tischdecke, die uns bislang auf sämtlichen Urlaubsfahrten begleitet hat, verleiht uns beim Frühstück im Motel einen zuversichtlich Start in den Tag.